Gedächtnistechniken – Christiane Stenger im Interview

Ordnun im Kopf
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Als Christiane Stenger zum ersten Mal einen Weltmeistertitel holte, war sie gerade einmal 12 Jahre alt. Nach dem Abitur (mit 16!) beendete sie ihre Karriere als Gedächtnisathletin, veröffentlichte ihren ersten Bestseller (mit 17!) und wurde zur gefragten Referentin.

Bei ihren Vorträgen lernen die Teilnehmer, wie sie mit einfachen Techniken ihre Erinnerungsleistung steigern und dadurch auch fantasievoller, kreativer und motivierter werden.

Bekannt ist Stenger außerdem als Moderatorin: Sie stand im Wissensmagazin „Wie werd’ ich …?“ auf ZDFneo mit Lutz van der Horst vor der Kamera und moderierte mit Steven Gätjen die ZDF-Show „Deutschlands Superhirn“.

Ihr Vortrag beim Deutschen Assistentinnen-Tag hieß “Warum fällt das Schaf vom Baum?”. Was hat es denn damit auf sich?

Das ist der Titel meines ersten Buchs und beschreibt in einem Satz, was Gedächtnistraining ausmacht. Schaf und Baum sind Bilder für Zahlen, die man sich in Verknüpfung mit einem Bild leichter merken kann. Das Schaf steht beispielsweise für die 4, weil das Schaf 4 Beine hat. Der Baum steht für die 1, weil er einen Stamm hat.

Wenn man beim Lernen Fantasie und Kreativität nutzt, erinnert man sich besser an das Gelernte. Man kann den Lernprozess aktiv und lustig gestalten. Lernen bedeutet dann nicht mehr passives über die Bücher beugen.

Was war der Auslöser, dass Sie sich überhaupt mit Gedächtnistraining beschäftigt haben?

Auslöser war, dass ich mich bereits in der 2. Klasse in der Schule sehr gelangweilt habe. Es ging nicht mal um das Inhaltliche, mehr um die Systematik. Ich habe mir dann immer Krankheiten eingebildet, um nicht in die Schule gehen zu müssen. Natürlich haben die Ärzte nie etwas festgestellt, dann jedoch erkannt, dass meine Eltern mit mir zu einem Psychologen gehen sollten. Ich wurde auf Hochbegabung getestet – und als Konsequenz habe ich in verschiedenen außerschulischen Kursen “noch mehr gelernt”. Und das bedeutete für mich, dass ich weiterhin im schulischen System feststeckte. Doch genau das wollte ich ja nicht.

Durch Zufall bin ich dann auf das Gedächtnistraining gestoßen. Das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht und daher bin ich dabei geblieben.

Dann war die Schule von da an ja recht leicht für Sie.

Tatsächlich hatte das Training erst mal keine Auswirkungen auf die Schule, ich war eher sehr schlecht und manchmal war meine Versetzung gefährdet. Erst, als ich auf eine Privatschule gewechselt bin und meine Techniken bewusst angewandt habe, hat sie das Blatt gewendet. Ich durfte noch weitere Klassen überspringen und so die Schule schneller abschließen. Das war meine Motivation.

Kann man denn in jedem Alter mit Gedächtnistraining starten?

Natürlich. Es macht Sinn, so früh wie möglich anzufangen, weil Kinder noch viel mehr Fantasie haben. Es lohnt sich aber auch, mit 65 oder später noch zu starten. Man hält sich fit und verlangsamt den Alterungsprozess. Das Training muss aber kognitiv anstrengend sein, denn dadurch werden im Gehirn neue Nervenverbindungen gebildet.

Wie funktionieren Ihre Gedächtnistechniken?

Die Techniken basieren auf dem Vorstellen von Bildern und auf drei Grundlagen: Spannung, Außergewöhnliches, Vernetzung. Wir können uns Dinge leicht merken, wenn wir etwas spannend oder unterhaltsam finden. Ebenso alle Dinge, die von den uns bekannten Normen abweichen. Und zum Schluss hilft es, neues Wissen an Bekanntes anzudocken, also zu vernetzen.

Können Sie einige (große) Fehlannahmen nennen, denen wir beim Thema Gedächtnistraining aufgesessen sind?

Wir Menschen denken viel zu oft, dass wir ein schlechtes Gedächtnis hätten. Das stimmt aber nicht. Man kann nämlich lernen, sich besser zu erinnern. Vorausgesetzt natürlich, man möchte sein Gehirn überhaupt effizienter nutzen.

Wie können mir Memotechniken bei der Büroarbeit konkret helfen? Lohnt sich der Lernaufwand überhaupt? Unsere digitalen Tools ersetzen doch ein gutes Gedächtnis.

Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall! Der wichtigste Effekt ist, dass man Zeit spart und effizienter arbeitet. Wenn man Inhalte oder Zusammenhänge nicht immer nachschauen muss, sondern sie gleich parat hat, spart man viel Zeit. Mit einem trainierten Gehirn arbeitet man außerdem konzentrierter und muss viel weniger Aufwand für diese Konzentration betreiben. Das reduziert Stress. Ein schöner Nebeneffekt ist zudem, dass man das gespeicherte Wissen kreativ nutzen kann und so leichter auf neue, gute Ideen kommt.

Können Sie zum Abschluss einen direkt umsetzbaren Gedächtnis-Trick nennen?

Ein Klassiker ist die Geschichtentechnik. Um mir zum Beispiel eine Einkaufsliste zu merken, denke ich mir eine verrückte Geschichte aus: “Ich hole die Milch aus dem Kühlschrank, schütte sie über meinen Kopf, weil sie eine Haarkur ist. Dann nehme ich Küchenpapier, um die Milch aufzuwischen. Das Papier wird mir von einer Tomate geklaut.” Mit so einer Geschichte kann man sich die Punkte auf der Liste leichter merken. Damit findet man einen guten Einstieg ins Gedächtnistraining.